Älterwerden ist ein Balanceakt


 

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Was haben Kinder und Senioren gemeinsam? Mehr als es auf den ersten Blick vielleicht scheint. Denn viele Fähigkeiten, die man zu Beginn seines Lebens erst erlernen muss, verliert man mit zunehmendem Alter wieder. Beispielsweise die Fähigkeit, einfache Gleichgewichtsleistungen zu erbringen, die im Alltag benötigt werden. Die Folge: Die Gefahr, sich bei einem Sturz zu verletzen, ist in beiden Altersgruppen überdurchschnittlich hoch. „Und das mit allen Folgeerscheinungen“, sagt Prof. Dr. Urs Granacher von der Friedrich-Schiller-Universität Jena und verweist beispielsweise bei älteren Menschen auf langwierige Reha-Aufenthalte oder hohe Behandlungskosten. Deshalb untersucht der neu berufene Professor für Trainingswissenschaft und Spezielle Didaktik der Sportarten, wie sich diese Risiken durch Training verringern lassen.

Ursache für die hohe Sturzanfälligkeit von Kindern und Senioren seien neben einem Mangel an Kraft und Gleichgewicht insbesondere die fehlende Fähigkeit, mehrere Dinge während des Gehens gleichzeitig zu tun, z. B. gehen und sprechen oder gehen und Einkaufstüten tragen. „Das Problem liegt in der Koordination von Gleichgewicht und kognitiven sowie motorischen Prozessen“, weiß der 37-Jährige. Doch das lasse sich trainieren, so der Trainingswissenschaftler, der zu Jahresbeginn von der Uni Basel an die Friedrich-Schiller-Universität wechselte.

In einem aktuellen Forschungsprojekt lassen Granacher und sein Team Senioren und Schulkinder gemeinsam trainieren: In Zweierteams spielen sie Memory und balancieren gleichzeitig auf einem Wackelbrett; werfen sich – auf einem Bein stehend – Bälle zu, während sie zusätzlich Wortketten bilden. „Wir werten die Daten gerade aus, aber können bereits jetzt sagen, dass beide Gruppen von dem Training profitieren“, so der Sportwissenschaftler. Sowohl die Kinder als auch die Senioren gewinnen durch das Trainingsprogramm an Sicherheit bei alltagsmotorischen Aufgaben und unvorhergesehenen Bewegungen. Der Schlüssel dafür sei die Kombination von kognitiven und motorischen Trainingselementen, erläutert Granacher.

Seinen Schwerpunkt Gesundheitstraining plant der im badischen Waldshut geborene Sportwissenschaftler nun an der Jenaer Universität weiter auszubauen. Dabei hat er vor allem ältere Menschen im Blick. „Jena hat im Bereich Altersforschung einen ausgezeichneten Ruf“, so Granacher. Hier finde er viele renommierte Partner, erste Kontakte für gemeinsame Projekte seien bereits geknüpft. Davon können auch die Jenaer Studierenden profitieren: Ab kommenden Sommersemester wird Prof. Granacher seine Schwerpunkte auch in die Lehre einbringen.

Er selbst hat in Freiburg und Kanada Sportwissenschaft, Germanistik und Anglistik studiert. Anschließend hat Urs Granacher zunächst als Sporttherapeut gearbeitet, bevor er an der Uni Freiburg seine Doktorarbeit über die Auswirkungen von Kraft- und sensomotorischem Training angefertigt hat. Nach der Promotion 2003 folgten ein Referendariat am Staatlichen Seminar für Didaktik und Lehrerbildung und eine Tätigkeit als Assessor an einem Gymnasium, bevor er 2007 als wissenschaftlicher Mitarbeiter und stellvertretender Leiter der Trainingswissenschaft ans Institut für Sport und Sportwissenschaft der Uni Basel wechselte. 2010 habilitierte er an der Uni Freiburg mit seiner Arbeit „Balance und Strentgh Performance in Children, Adolescents, and Seniors“. Mit dieser Arbeit errang Granacher den dritten Platz des diesjährigen Wissenschaftspreises des Deutschen Olympischen Sportbundes, der am 4. Februar in Tübingen übergeben wird.

Neben seinem Schwerpunkt Gesundheitstraining will sich der neue Trainingswissenschaftler aber auch in bestehende Schwerpunkte des Jenaer Instituts für Sportwissenschaft einbringen. Granacher, der selbst im Jugendalter Judo als Leistungssport betrieben hat, stellt klar: „Wir wollen die enge und erfolgreiche Kooperation mit dem Olympiastützpunkt Thüringen fortsetzen und hier im Institut z. B. Thüringer Spitzenathleten weiterhin leistungsdiagnostisch betreuen.“

Kontakt:
Prof. Dr. Urs Granacher
Institut für Sportwissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Seidelstraße 20, 07749 Jena
Tel.: 03641 / 945670
E-Mail: urs.granacher[at]uni-jena.de

Weitere Informationen:
http://www.uni-jena.de

(Quelle: http://idw-online.de/pages/de/news407439, 03.02.2011)