Am heutigen Montag verabschiedet die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“ ihren Abschlussbericht. Das 34-köpfige Gremium, zur einen Hälfte mit Wissenschaftlern, zur anderen mit Bundestagsabgeordneten besetzt, ist 2010 eingesetzt worden. Ein wesentlicher Auftrag der Kommission war der Entwurf eines neuen Wohlstandsindikators. Dieser soll den Fortschritt im Land über das Bruttoinlandsprodukt (BIP) hinaus messen. Faktoren wie Bildung, Umweltaspekte und Lebensqualität sollen dadurch mehr Gewicht erlangen.
Auch das Berlin-Institut hat in seinem Discussion Paper „Alt aber glücklich“ darauf hingewiesen, dass das BIP als alleiniger Wohlstandsindikator zu kurz greift.
Denn das BIP, so der Berliner Thinktank, bilde weder ab, ob der Wohlstand im Land gerecht verteilt ist, noch, ob durch Ehrenamt oder Freizeitaktivitäten gesellschaftliche Werte geschaffen werden. Darüber hinaus schenke es langfristigen Entwicklungen keine Beachtung. Dass Waffenproduktion Kriege ermögliche, die den Wohlstand langfristig mindern können oder, dass umweltunfreundliche Produktion ökologische Katastrophen nach sich ziehen kann, sei für das BIP unerheblich. Es frage auch nicht danach, ob die Bürger eines Landes zufrieden sind. Inzwischen sei deshalb eine ganze Palette von Indikatoren geschaffen worden, die alternativ zum BIP messen sollen, wie sich einzelne Länder dieser Erde entwickeln. Doch vom „Genuine Progress Indicator“ über den „Human Development Index“ bis hin zum „Happy Planet Index“ haben alle nur begrenzte Aussagekraft, wie das Berlin-Institut feststellt.
Die Autoren kommen zu dem Schluss: Wie wir Wohlstand definieren und messen, hängt vor allem von unserer Vorstellung von Wohlstand ab. Diese Vorstellung könne von Entscheidungsträgern beeinflusst werden und sollte sich, so die Autoren, vor allem vor dem Hintergrund des demografischen Wandels ändern. Denn der bedeute nicht nur, dass wegen der langanhaltend niedrigen Geburtenraten immer weniger Menschen das heutige Wirtschaftsniveau halten müssen. Sondern auch, dass Menschen im Beruf länger aktiv und gefordert sein werden, weil die Anzahl an Lebensjahren bei guter Gesundheit deutlich gestiegen ist. Laut Berlin-Institut würden sich Erwerbsbiografien künftig deshalb stark verändern – etwa durch freie Phasen im mittleren Alter und einen stark verspäteten Renteneintritt. Der Faktor „Glück“ oder „Wohlbefinden“ müsse in einer Arbeitswelt, in der Unternehmen um die besten Köpfe im Land konkurrieren, stärker mitgedacht werden. Aus- und Weiterbildung, flexible Arbeitszeitmodelle, Zugang zu Betreuung für Kinder und Alte spielen dabei ebenso eine Rolle wie der Einsatz neuer Technologien. Wenn gesellschaftliche Akteure alternative Indikatoren zum BIP häufiger thematisieren, könne ein neues Verständnis von Wohlstand in den Köpfen entstehen und zu neuen Gestaltungsimpulsen führen.
Weitere Informationen:
http://www.berlin-institut.org/publikationen/discussion-paper/alt-aber-gluecklic…
Quelle: idw.de, 16.04.2013
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