In der biomedizinischen Forschung werden Zebrafische seit den 70ern als Modellorganismen zur Analyse der zellulären und genetischen Grundlagen der Embryogenese eingesetzt. Die Fische vermehren sich gut und sind leicht zu halten. Da die Eier und Larven transparent sind und sich rasch außerhalb des Körpers der Mutter entwickeln, lassen sich die verschiedenen Entwicklungsstadien von Organen und das Schicksal einzelner Zellen live am lebenden Organismus beobachten. Am Leibniz-Institut für Altersforschung wird der Zebrafisch zur Erforschung von Genen, die den Alternsprozess beeinflussen, eingesetzt. Ein besonders altes Exemplar ist jetzt hochbetagt im Alter von 6 Jahren und 2 Monaten gestorben.
„Er war vielleicht nicht der älteste Zebrafisch Deutschlands, aber er hat sicherlich die Obergrenze der Lebenspanne in dieser Spezies erreicht“, so Professor Christoph Englert, Forschungsgruppenleiter am Leibniz-Institut für Altersforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in Jena. Zebrabärblinge (Danio rerio), auch Zebrafische genannt, gehören nicht nur zu den Klassikern unter den Aquarienfischen, sondern sind ein wichtiger Modellorganismus für die Molekulargenetik, um biologische Entwicklungsprozesse zu studieren. Die ursprünglich aus dem östlichen Vorderindien stammenden Fische sind auffällig gefärbt und tragen horizontal dunkelblaue Streifen. Zebrafische können bis zu sechs Zentimeter lang werden; Männchen sind meist etwas kleiner und schlanker. Die schwimmfreudigen und lebhaften Fische werden in langgestreckten Aquarien mit leichter Strömung in Gruppen gehalten.
Lebensspanne von Zebrafischen
„Präzise Angaben zur Lebensspanne von Zebrafischen sind in der Literatur selten zu finden,“ erläutert Englert, „fokussieren sich doch die Mehrheit der Forschungsarbeiten auf die embryonale Entwicklung von Zebrafischen, weniger auf ausgewachsene, adulte Exemplare“. Man geht jedoch von einer Lebensdauer von maximal 5 Jahren aus. Das kurz vor Weihnachten in Jena gestorbene Zebrafischweibchen kam im Oktober 2007 auf die Welt. “Damit erreichte unser Fischweibchen ein stolzes Lebensalter von 6 Jahren und 2 Monaten; ein biblisches Alter für so einen kleinen, quirligen Fisch“, so Englert weiter.
Methusalem-Zebrafisch
Im Vergleich zu anderen Fischweibchen war dieses besonders alte Methusalem-Exemplar „relativ groß“ und hatte eine „stattliche Erscheinung“. Bis zum Alter von etwa 5 Jahren hatte das Fischweibchen zusammen mit drei anderen Fischen in einem Tank gelebt, nach deren Ableben aber dann alleine gewohnt. „Sie war fit bis zum Schluss“, unterstreicht der Fischgenetiker, „erst in der letzten Woche haben sich Veränderungen am Aussehen und im Verhalten bemerkbar gemacht; die Schuppen hatten sich aufgestellt, der Bauch stark vergrößert und sie wurde zunehmend lethargisch“.
Gemeinsamkeiten von Fisch und Mensch
Der Zebrafisch ist wie der Mensch ein Wirbeltier, das heißt fast alle Zellen und Organe, die wir Menschen besitzen, kommen so oder ähnlich auch beim Fisch vor und die allermeisten Gene des Menschen sind auch im Fisch zu finden und haben dort eine ähnliche oder sogar dieselbe Funktion. „Wenn wir beispielsweise beim Fisch verstanden haben, wie bestimmte Entwicklungsprozesse im Körper ablaufen und welche Gene die Bildung von Organen steuern, dann lassen sich die gewonnenen Erkenntnisse auch auf den Menschen übertragen“ informiert Englert. Deshalb spielt der Zebrafisch am FLI auch eine wichtige Rolle bei der Untersuchung von Entwicklungsvorgängen.
Modell für die Regenerationsforschung
Doch der Zebrafisch kann noch mehr. Gerade in den letzten Jahren hat er sich zu einem idealen Modell für die Regenerationsforschung entwickelt, da nicht nur sein Herz und Gehirn, sondern auch die Flossen eine hohe Regenerationsfähigkeit aufweisen. Damit nicht genug. Die Jenaer Forscher konnten 2011 zusammen mit Kollegen aus den USA erstmals nachweisen, dass auch die Niere eine hohe Regenerationsfähigkeit besitzt, denn selbst in Nieren ausgewachsener Zebrafische waren noch Stammzellen nachweisbar. Dazu entnahmen sie alten Fischen mit fluoreszenz-markiertem Nierengewebe Zellen und transplantierten diese in die geschädigte Niere von Empfänger-Fischen. Wenige Zeit später konnten neu gebildete Nierenkörperchen (Nephrone) nachgewiesen werden, die aus den ursprünglich markierten Zellen hervorgegangen waren.
„Eine beachtenswerte Fähigkeit, da Zebrafische so während ihres gesamten Lebens Nephrone nachbilden und selbst Schäden reparieren können“, unterstreicht Englert. Doch wodurch unterscheidet sich die Regenerationsfähigkeit bei Fischen von der bei Säugetieren, insbesondere bei Menschen? „Wenn wir diese Frage beantworten können, dann ist vielleicht in Zukunft die verlorengegangene Regeneration bei uns Menschen rekonstruierbar“. Die Zebrafische – ob jung, alt oder hochbetagt – werden bei der Beantwortung dieser und anderer Fragen für die Forschung weiter nützlich sein.
Fortschritt in der Alternsforschung durch kurzlebigen Fisch
Die Geschichte des Methusalem-Zebrafischweibchens zeigt aber auch ein Problem der Alternsforschung: Wenn neue molekularbiologische Erkenntnisse im Hinblick auf einen überlebensverlängernden Effekt getestet werden sollen, dauert es in diesem Organismus bis zu 6 Jahre, um eine Aussage treffen zu können. Bei der Maus muss mit 3 Jahren gerechnet werden. Kurzlebige Organismen stehen der Alternsforschung zwar mit Fadenwürmern (max. Lebensspanne etwa 4 Wochen) und der Fruchtfliege (2-3 Monate) zur Verfügung, die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf Wirbeltiere ist aber nicht immer gegeben. „Die Lösung wäre ein Wirbeltier mit kurzer Lebensspanne, damit die Ergebnisse der Alternsforschung schneller auf überlebensverlängernde und gesundheitsverbessernde Wirkungen getestet werden können“, so Prof. Englert. Mit dieser Idee wurde am Leibniz-Institut für Altersforschung jüngst eine Zucht von afrikanischen Killifischen (Nothobranchius furzeri) etabliert. Mit nur 3 Monaten Lebensspanne handelt es sich beim N. furzeri nicht nur um ein Wirbeltier, sondern auch um das Wirbeltier mit der kürzesten Lebensspanne, das im Labor gehalten werden kann.
Publikationen:
Diep CQ, Ma D, Deo RC, Holm TM, Naylor RW, Arora N, Wingert RA, Bollig F, Djordjevic G, Lichman B, Zhu H, Ikenaga T, Ono F, Englert C, Cowan CA, Hukriede NA, Handin RI, Davidson AJ. Identification of adult nephron progenitors capable of kidney regeneration in zebrafish. Nature 2011, 470, 95-100. doi: 10.1038/nature09669
Kontakt:
Dr. Kerstin Wagner
Leibniz-Institut für Altersforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI)
Beutenbergstr. 11, 07745 Jena
Tel.: 03641-656378, Fax: 03641-656351, E-Mail: presse@fli-leibniz.de
Hintergrundinfo
Der Zebrafisch (Danio rerio) ist ein weit verbreiteter Modellorganismus der biomedizinischen Forschung. Er ist einfach zu halten und produziert in rascher Folge viele Nachkommen. Die Embryonen entwickeln sich schnell und außerhalb des Muttertiers. Erwachsene Fische werden bis zu fünf bis sechs Zentimeter lang. In den frühen Entwicklungsphasen sind die Fische transparent, so dass sich Entwicklungsvorgänge unmittelbar beobachten lassen. Zebrafische besitzen die besondere Fähigkeit, nach kleinerer Verletzung wichtige Organe des Körpers, wie z.B. das Herz und die Flossen, nachwachsen zu lassen.
Der Türkise Prachtgrundkärpfling (Nothobranchius furzeri), ein Fisch aus Ostafrika, lebt in saisonalen Gewässern und besitzt, je nach Stamm, eine Lebensspanne von 3-12 Monaten. N. furzeri dient den Wissenschaftlern am FLI als neuer Modellorganismus für die Erforschung des Alterns. Seine Kurzlebigkeit ermöglicht es, die biologischen Veränderungen beim Altern in kürzester Zeit zu beobachten. Im Gegensatz zu anderen kurzlebigen Modellorganismen, wie z.B. der Fruchtfliege (Drosophila melanogaster) oder dem Fadenwurm (Caenorhabditis elegans), steht N. furzeri dem Menschen evolutionär sehr viel näher.
Das Leibniz-Institut für Altersforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in Jena ist das erste deutsche Forschungsinstitut, das sich seit 2004 der biomedizinischen Altersforschung widmet. Über 330 Mitarbeiter aus 30 Nationen forschen zu molekularen Mechanismen von Alternsprozessen und alternsbedingten Krankheiten. Näheres unter http://www.fli-leibniz.de.
Die Leibniz-Gemeinschaft verbindet 89 selbständige Forschungseinrichtungen. Deren Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute bearbeiten gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevante Fragestellungen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Grundlagenforschung. Sie unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer in Richtung Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Institute pflegen intensive Kooperationen mit den Hochschulen ‑ u.a. in Form der WissenschaftsCampi ‑, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem maßstabsetzenden transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 17.200 Personen, darunter 8.200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei 1,5 Milliarden Euro. Näheres unter http://www.leibniz-gemeinschaft.de.
Quelle: idw.de, 28.01.2014
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