Von Telefonnummern bis Vokabeln – unser Gehirn ist in der Lage, eine grosse Menge an Informationen zu speichern. Allerdings nimmt mit dem Alter die Vergesslichkeit zu und unser Lernvermögen ab. Wissenschaftler um Associate Prof. Dr. Antonio Del Sol Mesa des Luxembourg Centre for Systems Biomedicine an der Universität Luxemburg und Dr. Ronald van Kesteren von der VU University Amsterdam gingen nun den molekularen Grundlagen dieses altersbedingten Gedächtnisschwundes mit modernsten Hochdurchsatzverfahren und statistischen Methoden auf den Grund. Die Ergebnisse wurden diese Woche in der renommierten Fachzeitschrift „Molecular and Cellular Proteomics“ publiziert (doi:.10.1074/mcp.M113.032086).
Wenn Informationen in unserem Gedächtnis gespeichert werden oder wir uns erinnern, kommt es in den Nervenzellen des Gehirns zu chemischen und strukturellen Veränderungen. Vor allem verändern sich Zahl und Stärke der Verbindungen zwischen Nervenzellen, den sogenannten Synapsen. Auf der Suche nach dem Grund für unser vermindertes Lernvermögen im Alter untersuchten die Forscher die molekulare Zusammensetzung der Nervenzellverbindungen gesunder Mäuse im Alter von 20 bis 100 Wochen. Dies entspricht in etwa der Zeitspanne von der Pubertät bis zum Rentenalter beim Menschen. „Erstaunlicherweise gab es nur eine Gruppe von vier Eiweißmolekülen der sogenannten extrazellulären Matrix, die mit dem Alter stark zunahm. Der Rest veränderte sich kaum.”, erläutert Prof. Dr. Antonio del Sol Mesa vom Luxembourg Centre for Systems Biomedicine der Universität Luxemburg.
Die extrazelluläre Matrix bildet ein Geflecht an den Kontaktstellen zwischen Nervenzellen. Ein gesundes Maß an diesen Proteinen sorgt für ein Gleichgewicht zwischen Stabilität und Flexibilität dieser Synapsen und ist für effizientes Lernen entscheidend. „Nehmen diese Proteine im Alter zu, werden die Verbindungen zwischen Nervenzellen immer starrer, wodurch sie sich schlechter an neue Situationen anpassen können. Das Lernen wird erschwert, das Gedächtnis verlangsamt.”, fügt Dr. Ronald van Kesteren von der VU University hinzu.
Außerdem schauten sich die Forscher nicht nur einzelne Moleküle, sondern auch das große Ganze an. Sie betrachteten das Zusammenspiel aller Moleküle als eine Art Netzwerk, das die Menge und Interaktionen der einzelnen Moleküle streng kontrolliert. „Ein gesundes Netzwerk hält sozusagen alle Moleküle auf dem richtigen Niveau. Bei älteren Mäuse sahen wir allerdings, dass sich die Zusammensetzung an Eiweißmolekülen stärker unterscheidet als bei ihren jüngeren Artgenossen. Das zeigt, dass das Netzwerk seine Kontrolle verliert und leichter aus dem Gleichgewicht gebracht werden kann, wenn wir altern.“, erklärt Prof. Dr. Antonio del Sol Mesa. Dadurch wird das Gehirn laut der Wissenschaftler anfälliger für Krankheiten.
Ein besseres Verständnis des normalen Alterungsprozesses kann helfen, in Zukunft auch komplexe neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer und Parkinson besser zu verstehen. Neue Medikamente, die die extrazelluläre Matrix beeinflussen können, könnten in Zukunft als neue Therapieansätze für Lernschwierigkeiten oder Gedächtnisschwund zum Einsatz kommen.
Weitere Informationen:
http://www.mcponline.org/content/early/2014/07/19/mcp.M113.032086.full.pdf+html – Link zum wissenschaftlichen Artikel
http://www.uni.lu/lcsb – Link zur Homepage des Luxembourg Centre for Systems Biomedicine
Quelle: idw.de, 22.07.2014
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