Mit dem Alter lassen Kraft und Koordinationsfähigkeit nach, das Gleichgewichtsgefühl schwindet, Stürze werden häufiger. Nach gängiger Meinung ist dieser körperliche Degenerationsprozess schicksalhaft und unumkehrbar. Dass dies keineswegs so ist und dass es vielfältige Formen der Prävention gibt, will in den nächsten fünf Jahren das europäische Forschungskonsortium SPRINTT zeigen, an dem auch eine Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Cornel Sieber vom Institut für Biomedizin des Alterns (IBA) der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) beteiligt ist. SPRINTT hat ein Gesamtvolumen von 48 Millionen Euro, das Teilprojekt an der FAU wird mit 1,4 Millionen Euro gefördert.
Jeder Mensch wünscht sich Mobilität und rege Teilhabe am sozialen Leben bis ins hohe Alter. Und dennoch sind viele ältere Menschen auf die Hilfe Dritter angewiesen. Gebrechlichkeit und Muskelschwund sind die Hauptursachen für den Verlust von Autonomie und Lebensqualität. Denn wer gebrechlich ist, wird auch anfällig für andere Erkrankungen, stürzt häufig, wird oft stationär behandelt und muss schließlich in einer Pflegeeinrichtung betreut werden. Bis jetzt gibt es für diese altersbedingte Degeneration keine allgemein anerkannte Behandlungsmethode. „Dabei haben wir erste wissenschaftlich fundierte Hinweise dafür, dass die Mobilität beispielsweise durch gezielte Bewegungsprogramme sehr lange erhalten werden kann“, sagt Dr. Ellen Freiberger vom IBA.
Schwellenwerte für Muskelschwund
Im Prinzip weiß zwar jeder, dass regelmäßige Bewegung und Sport fit halten, aber die Akzeptanz ist gerade im hohen Alter gering. „Deshalb wollen wir daran arbeiten, dass ältere Menschen ihre schwindende Mobilität nicht einfach als unabwendbares Schicksal hinnehmen“, sagt Prof. Dr. Cornel Sieber. „Eine Schlüsselrolle spielen dabei die Hausärzte. Sie haben eine große Autorität und können ihre Patienten dazu ermutigen, etwas für ihre Ausdauer und Beweglichkeit zu tun.“ Ein erster Schritt, die Ärzte dabei zu unterstützen, wäre eine klare medizinische Definition von Muskelschwund. Denn dann wäre auch eine entsprechende Diagnose möglich, an die sich gezielte therapeutische Maßnahmen anschließen könnten. Deshalb ist es eines der Ziele der an SPRINTT beteiligten Forscher, Schwellenwerte festzulegen, die eindeutig anzeigen, wann der Verlust von Muskelmasse eine medizinische Behandlung rechtfertigt.
Suche nach genetischen Faktoren
„Es geht uns dabei allerdings nicht nur um die Muskelmasse“, erklärt Ellen Freiberger. „Die Muskelfunktion ist mindestens genauso wichtig. Denn es gibt ja Menschen, die noch nie starke Muskeln hatten, deren Koordination – also die Fähigkeit, die Muskeln anzusteuern – aber hervorragend ist.“ Aus diesem Grund sollen in die Definition der Schwellenwerte mehrere Faktoren einfließen. Die Biomediziner messen beispielsweise auch die Handkraft, die Gehgeschwindigkeit und das Gleichgewichtsgefühl. Außerdem ist bisher noch ungeklärt, ob etwa genetische Faktoren eine Rolle spielen. Deshalb werden bei den Teilnehmern der Studie auch Blutproben genommen, um eventuell genetische Marker zu identifizieren, die Rückschlüsse auf Beginn und Verlauf des Mobilitätsverlustes im Alter zulassen.
Bewegungsprogramme für Menschen über 70
Insgesamt 1500 Menschen in acht europäischen Ländern werden an der Studie teilnehmen, darunter 100 aus Nürnberg und Umgebung. Zielgruppe sind Probanden, die über 70 Jahre alt und noch mobil sind, aber erste Anzeichen von motorischen Einschränkungen an sich feststellen. Typisch dafür sind etwa Probleme beim Treppensteigen oder nachlassendes Tempo und mangelnde Ausdauer beim Gehen. Die Teilnehmer werden dann in einem Zeitraum von zwei Jahren intensiv betreut. Sie nehmen beispielsweise an gezielten Bewegungsprogrammen teil. Dabei werden die Veränderungen der körperlichen Funktionen genau gemessen, um sie dann mit den Daten der Vergleichsgruppen in den anderen Ländern statistisch auswerten zu können. „Am Ende des Projekts in fünf Jahren werden wir über eine evidenzbasierte Definition von Muskelschwund und Gebrechlichkeit verfügen“, sagt Prof. Sieber. „Damit sind wir dann auch auf einem guten Weg zu einer wirkungsvollen und standardisierten Therapie für den Erhalt von Mobilität bis ins hohe Alter.“
1,4 Millionen Euro für FAU-Institut
Insgesamt ist das Projekt mit mehr als 48 Millionen Euro für fünf Jahre ausgestattet. Die Hälfte davon steuert die Europäische Kommission in Form von Geldern für die Universitätsinstitute und öffentlichen Forschungseinrichtungen bei, die andere Hälfte leisten die beteiligten Mitgliedsunternehmen der EFPIA – der Interessenvertretung der europäischen Pharmaindustrie – in Form von Personal- und Sachleistungen. Die Teilprojekte unter Federführung des Instituts für Biomedizin des Alterns der FAU sind mit 1,4 Millionen Euro ausgestattet.
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Cornel Sieber
Tel.: 0911/5302-96150
cornel.sieber@fau.de
Quelle: idw.de, 20.10.2014
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