Wie wir vorgehen: Messung von Emotionsregulation
Willkommen zum 3. Blogeintrag!
Im vorigen Blogeintrag habe ich Ihnen die allgemeinen Forschungsmethoden dieser Studie vorgestellt. Heute möchte ich näher auf die individuelle Sitzung (Teil 2) eingehen, bei der die Teilnehmenden, geleitet durch eine Forschungsassistentin, eine Emotionsregulationsaufgabe am Computer durchführen. Dieser Teil stellt das Herzstück unserer Studie dar.
Hintergrund der Emotionsregulationsaufgabe
In der organisationspsychologischen Forschung wird der Umgang mit Emotionen meist durch Fragebögen erfasst. Teilnehmende bewerten Aussagen wie „Wenn ich unangenehme Erlebnisse bei der Arbeit erlebe, denke ich im Allgemeinen an schönere Dinge als an das, was ich erlebt habe“ auf einer Skala von 1 (fast nie) bis 5 (fast immer). Die resultierende emotionale Reaktion wird gemessen, in dem Teilnehmende Aussagen wie „Wenn ich unangenehme Erlebnisse bei der Arbeit erlebe, fühle ich mich im Allgemeinen verärgert“ bewerten.
Die so entstehenden Daten liefern wichtige Informationen darüber, wie Menschen sich selbst sehen. Allerdings bilden sie nur einen kleinen Teil der tatsächlichen Emotionsregulation von Menschen ab. Die Antwort auf diese Fragen erfordert, dass man sich an zurückliegende negative Ereignisse und die Gedanken und Emotionen, die dadurch ausgelöst wurden, erinnert und eine Art Mittelwert über alle Ereignisse bildet. Dies ist eine komplexe Leistung. Nicht jeder kann über seinen Umgang mit Emotionen reflektiert Auskunft geben. Der eine hat häufiger unangenehme Erlebnisse als der Andere und viele emotionsregulative Prozesse laufen automatisch und ohne bewusste Steuerung ab.
Daher haben wir uns in dieser Studie für einen weiteren Zugang zur Messung von Emotionsregulation entschieden, der Elemente aus der experimentellen Emotionsforschung nutzt. Das Ziel war, die emotionsauslösenden Ereignisse für alle Teilnehmenden konstant zu halten und Emotionsregulation im Moment des Geschehens zu erfassen. Zudem interessierten wir uns dafür, emotionale Reaktivität und Erfolg von Emotionsregulation zu trennen, um ein genaueres Bild der Wirkungen dieser beiden Prozesse zu erhalten. Durch wiederholte Messung über mehrere emotionsauslösende Ereignisse hinweg lässt sich ein zuverlässiges Bild des Umgangs mit negativen Emotionen zeichnen.
Der gewählte Zugang zur Messung von Emotionsregulation hat allerdings auch Nachteile, die nicht unerwähnt bleiben sollen. So mussten wir uns auf zwei Emotionsregulationsstrategien beschränken. Wir wählten die Strategien der gedanklichen Ablenkung und Umbewertung, die beide als adaptiv gelten und häufig im Alltag angewendet werden. Ein weiterer Nachteil ist die relativ künstliche Situation der Aufgabe, die nicht unbedingt mit Erlebnissen im wahren Leben vergleichbar ist. Aus früheren Studien ist allerdings bekannt, dass experimentell gemessene Emotionsregulation das Stresserleben im Alltag vorhersagt. Zudem eignet sich die gewählte Aufgabe – sollten unsere Daten zeigen, dass sie Aussagekraft für das Arbeitsleben junger und älterer Beschäftigter hat – ideal für die Messung von Trainingsbedarf und die Entwicklung von Kompetenztrainings.
Ablauf der Emotionsregulationsaufgabe
Erster Teil: Emotionale Reaktivität. Die Aufgabe besteht aus zwei Teilen. Im ersten Teil sehen die Teilnehmenden 20 emotionale Bilder und sind angehalten, spontan und natürlich auf dieses Bilder zu reagieren, ohne die eigenen Gefühle beeinflussen zu wollen. Die Bilder stammen aus einer internationalen Bilddatenbank, die bereits unzählige Male in der Emotionsforschung genutzt wurde und für die zuverlässige Normwerte vorliegen. Die Bilder sind teils neutral, teils negativ mit unterschiedlicher Intensität. Die neutralen Bilder zeigen Alltagssituationen und dienen dazu, eine Art Baseline Reaktion zu erhalten. Die negativen Bilder zeigen Gewalt, Konflikte, menschliche Katastrophen oder Verwundungen und rufen verschiedene negative Gefühle (Angst, Ekel, Wut) hervor. Nach jedem Bild bewerten die Teilnehmenden ihre emotionale Reaktion auf einer Skala von 1 (überhaupt nicht negativ) bis 9 (sehr negativ).
Zweiter Teil: Emotionsregulation. Im zweiten Teil sehen die Teilnehmenden noch einmal 20 negative Bilder, sind diesmal allerdings angehalten, eine von zwei Emotionsregulationsstrategien zu nutzen, um ihre emotionale Reaktion auf die Bilder zu verringern. Die beiden Strategien sind folgendermaßen beschrieben:
- Ablenkung: Hier versuchen Sie, sich weniger negativ über ein Bild zu fühlen in dem Sie sich gedanklich ablenken. Sie denken also an etwas, das mit der Situation auf dem Bild nichts zu tun hat und eher gefühlsneutral ist, weder positiv noch negativ.
- Umbewertung: Hier sollen Sie zwar der Situation auf dem Bild Aufmerksamkeit schenken, aber die Bedeutung des Bildes verändern. Das heißt, dass Sie sich etwas Positives über das Bild sagen, zum Beispiel, dass es bald zu einer guten Lösung kommt oder dass Hilfe auf dem Weg ist. Der positive Gedanke soll dabei helfen, sich weniger negativ zu fühlen.
Welche der beiden Strategien sie nutzen, können die Teilnehmenden für jedes Bild selbst entscheiden. Sie sind aufgefordert, diejenige Strategie auszuwählen, von der sie glauben, dass sie ihnen am besten hilft, sich über ein bestimmtes Bild weniger negativ zu fühlen. Um eine Wahl treffen zu können, wird das kommende Bild kurz für eine halbe Sekunde eingeblendet. Nachdem das Bild ausgeblendet ist, bewerten die Teilnehmenden wieder ihre emotionale Reaktion auf der gleichen Skala wie im ersten Teil der Aufgabe.
Im nächsten Blog werde ich ihnen eine Zwischenstand zur Datenerhebung geben und erste Ergebnisse berichten.
Freundlich grüßt Sie
Dr. Susanne Scheibe
Zum Weiterlesen
Sheppes, G., Scheibe, S., Suri, G., Gross, J. J. (2011). Emotion-regulation choice. Psychological Science, 22, 1391-1396. doi: 10.1177/0956797611418350
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