Veranstalter: Gesellschaft, Altern, Medien e.V.
Datum, Ort: 28.06.2013-30.06.2013, Mengkofen, Bayern, Schloss Tunzenberg
Deadline: 15.03.2013
Ältere Menschen, so argumentierte der französische Soziologe Maurice Halbwachs in den 1920er Jahren in seinen Ausführungen Über das Gedächtnis bei den Alten und das Heimweh nach der Vergangenheit, seien „des Handelns müde und wenden sich von der Gegenwart ab“, sie befänden sich damit „in den günstigen Umständen, um die vergangenen Ereignisse als solche wiedererscheinen zu lassen“ (1966, S.149). Mit Blick auf das zeitgenössische Hier und Jetzt gerät dieses Altersbild mehr und mehr zu einem Zerrbild. Auf der Bühne der Gegenwart stehen die Neuen Alten, deren Blick nicht zurück, sondern zukunftsgewandt ist. Alte berichten in Talkshows über Abenteuerlust und Verwirklichungsbegehren, Spielfilme inszenieren neue Rollen- und Lebensmodelle, Ratgeber- und Gesundheitsformate preisen Aktivität und Körpergestaltung als Rezept für lebenslange Jugendlichkeit.
Dieser soziokulturelle Wandel, so lässt sich einschätzen, hat zu einer Entgrenzung des höheren Lebensalters geführt, die für das alternde Subjekt mit einer deutlichen Zunahme entscheidungsoffener Lebensmöglichkeiten und Identitätsmodelle verbunden ist. Biografien avancieren zum Bezugspunkt des Lebens im Alter, das entgegen klassischer Generationenordnungen, prinzipiell gestaltbarer und potenziell selbstreflexiv ist. Das bedeutet, dass Lebenssituationen auch noch im höheren Lebensalter Fragen und Handlungsprobleme aufwerfen, in denen Vergangenheit nicht lediglich abgerufen, denn vielmehr neu gedeutet, verortet oder gar verworfen wird.
In Gesellschaften, in denen Erleben und Erfahrung in hohem Maße durch eine Vielzahl verschiedener Medien und deren Strukturen wie Inhalte geprägt ist, sind Biografien wesentlich durch diese Medien und Mediensozialisationsprozesse mitbestimmt. Zugleich nehmen Biografien als individuelllebensgeschichtlich geprägte, interesse- und wertgeleitete Formen der Medienaneignung und Mediennutzung einen besonderen Stellenwert ein. Biografien haben in beide Richtungen eine unhintergehbare Bedeutung für Medienaneignung und Mediensozialisation.
Im Mittelpunkt der 4. Jahrestagung des Gesellschaft, Altern, Medien e.V. steht das Verhältnis von Biografien und Medien im höheren Lebensalter. Dabei werden insbesondere zwei Ziele verfolgt: Zum einen sollen Perspektiven, Ansätze und Methoden biografischer Altersmedienforschung nachgezeichnet und aktuelle Forschungsergebnisse vorgestellt werden. Zum anderen sollen Handlungsfelder für eine künftige biografische Medienforschung benannt werden, die einen konstruktiven Beitrag für eine sich stärker integrativ konturierende Alter(n)sforschung leisten können.
Angesichts der Komplexität des Gegenstandes bedarf es einer Perspektivenverschränkung, in der sowohl die kulturhistorische, mediengeschichtliche und sozialisatorische Rahmung des Medienhandelns Berücksichtigung findet, als auch der Stellenwert medienspezifischer Angebotsformate einbezogen wird. Aus dieser Perspektive fokussiert die Fachtagung drei Schwerpunkte der Diskussion von Altern, Biographie und Medien, die etwa folgende Fragen berühren können:
BIOGRAPHIE DURCH MEDIEN & MEDIEN DER BIOGRAPHIE
Welche Einfluss haben Erfahrungen und individuelle Lebensgeschichte des alternden Subjektes auf den Umgang mit und die Aneignung von Medien? Welchen Anteil haben Medien an der Konstitution individueller Biografien? Welche Formen und Formate der Artikulation von Erinnerung und Biografie eröffnen Medien?
BIOGRAPHIEN IN MEDIEN & MEDIENBIOGRAPHIEN
Welche medialen Darstellungs- und Thematisierungsformen von Erinnerung und Biografie lassen sich erschließen? Auf welche Weise konstituieren sich Medienakteure (Musik, Film, TV) als biografische Leitfiguren und/oder Weggefährten? Welche (neuen) Formen der Speicherung, Bewahrung und Vermittlung von Lebenserfahrung entstehen mit der Digitalisierung und Vernetzung von Lebensräumen?
METHODEN ZUR ANALYSE DES WECHSELVERHÄLTNISSES ›ALTER, MEDIEN UND BIOGRAFIE‹
Wie angemessen sind bisherige Ansätze und Methoden zur Rekonstruktion medienbiografischer Zusammenhänge? Wo liegen Stärken und wo werden Desiderata offenkundig? Welche methodischen Herausforderungen stellen sich mit Blick auf die Digitalisierung und Vernet- zung von Biografisierungspraxen? Welche neuen methodischen Zugänge bieten sich an, um anstehende oder bislang noch nicht behandelte inhaltliche Facetten des Gegenstandsbereichs methodisch angemessen zu bearbeiten?
Welche Erfahrungen bestehen mit Blick auf Fragen des Feldzugangs oder der Forschungsethik?
Kolleginnen und Kollegen, die sich mit einem Beitrag in die Tagung einbringen möchten, werden gebeten, ein Abstract (max. 700 Zeichen incl. Leerzeichen) ihres Beitragsangebots bis zum 15. März 2013 in elektronischer Form via E-Mail an die Veranstalter der Tagung zu senden:
Prof. Dr. Bernd Schorb
schorb@uni-leipzig.de
Dr. Anja Hartung
ahartung@rz.uni-leipzig.de
Dr. Thomas Wilke
thomas.wilke@medienkomm.uni-halle.de
Bitte ordnen Sie Ihr Abstract einem der Themen- schwerpunkte zu und machen Sie deutlich, ob es sich beim projektierten Themenvorschlag um einen Originalbeitrag handelt. Der Tagungsort beschränkt die Teilnehmerzahl auf 40. Die Rückmeldung über Annahme oder Ablehnung der Abstracts erfolgt bis zum 1. April 2013.
Kontakt:
Thomas Wilke
MLU Halle, Dept. Medien- & Kommunikationswissenschaften
Mansfelder Str. 56, 06108 Halle
0345-5523587
0345-5523587
thomas.wilke@medienkomm.uni-halle.de
GAM – Gesellschaft, Altern, Medien e.V.
Quelle: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/termine/id=20926, 18.01.2013
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