Die Ergebnisse stellt Prof. Clemens Tesch-Römer vom Deutschen Zentrum für Altersfragen (DZA) heute in der Pressekonferenz „Deutscher Alterssurvey“ vor
Deutschland ist ein Land des langen Lebens. Aktuell beträgt die Lebenserwartung bei Geburt für Männer etwa 77, für Frauen 81 Jahre. In 50 Jahren könnte die Lebenserwartung für Männer auf 85 und für Frauen auf 89 Jahre steigen. Der Anteil der über 65-Jährigen wird dann von einem Fünftel auf ein Drittel der Bevölkerung zugenommen haben.
Diese Zahlen zeigen, dass wir fundierte Erkenntnisse über das Alter benötigen. Dabei sollten wir bedenken: Wir benötigen Wissen nicht allein über die heute 60-, 70- und 80-Jährigen, sondern auch über die 40- und 50-Jährigen, denn diese Altersgruppe – Sie und ich – werden die alten Menschen der Zukunft sein. Alter und Altern haben sich in der Vergangenheit gewandelt und werden dies auch in Zukunft tun.
Ich freue mich, Ihnen heute aktuelle Ergebnisse des Deutschen Alterssurveys – kurz: DEAS – vorzustellen, eine Studie des Deutschen Zentrums für Altersfragen, die vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert wird. Der DEAS ist eine Längsschnittstudie zur zweiten Lebenshälfte, betrachtet also seit 1996 die 40- bis 85-Jährigen in Deutschland. Die aktuellsten Daten wurden im Jahr 2008 erhoben. Den vollständigen Bericht finden Sie in dem Buch „Altern im Wandel“ (erschienen im Kohlhammer Verlag, Stuttgart).
Eine Zusammenfassung enthält diese Broschüre. Sechs zentrale Befunde, die ein differenziertes Bild des Alters zeichnen, möchte ich Ihnen im Folgenden vorstellen:
- Gesundheit: Die „Alten der Zukunft“ sind gesünder als vor ihnen geborene Jahrgänge.
- Materielle Lage: Den Menschen in der zweiten Lebenshälfte geht es im Durchschnitt finanziell recht gut, aber sie machen sich Sorgen um die Zukunft.
- Partnerschaft: Die Lebensformen im Alter werden bunter – und zum Teil fragiler.
- Generationen: Die Familien halten zusammen, aber sie wohnen nicht mehr so nah beieinander.
- Arbeitsmarkt und Ehrenamt: Ältere Menschen spielen auf dem Arbeitsmarkt und in der Zivilgesellschaft eine immer wichtigere Rolle.
- Altersbilder: Obwohl Altersdiskriminierung eine Tatsache ist, werden Altersbilder positiver.
1. Gesundheit: Die „Alten der Zukunft“ sind gesünder als vor ihnen geborene Jahrgänge.
Es ist nicht überraschend, dass Mehrfacherkrankungen und körperliche Einschränkungen im höheren Lebensalter nach wie vor weit verbreitet sind. Doch die Ergebnisse des DEAS machen deutlich, dass seit 1996 ein Rückgang von Erkrankungen bei Menschen in der zweiten Lebenshälfte festzustellen ist.
Besonders deutlich zeigt sich dies für Menschen rund um das Ruhestandsalter: Hatten im Jahr 1996 noch 17 Prozent der 58- bis 63-Jährigen fünf oder mehr gleichzeitig bestehende Krankheiten, sind dies aktuell nur noch 7 Prozent. Dies ist eine gute Nachricht: Die nachwachsenden Geburtsjahrgänge werden gesünder ins Alter gehen als die vor ihnen geborenen.
2. Materielle Lage: Den Menschen in der zweiten Lebenshälfte geht es im Durchschnitt finanziell recht gut, aber sie machen sich Sorgen um die Zukunft.
Die Einkommenssituation der 40- bis 85-Jährigen ist gegenwärtig unproblematisch. Allerdings ist die Verteilung seit 1996 ungleicher geworden: Sowohl armutsnahe Lagen als auch hohe Einkommen treten häufiger auf. Private Altersvorsorge haben überwiegend Personen mit ausreichendem Einkommen und Vermögen. Hier deuten sich zukünftige Probleme in der Alterssicherung bei jenen an, die eine zusätzliche private Alterssicherung benötigen, diese aber nicht abschließen (oder nicht abschließen können).
Die subjektive Einschätzung des gegenwärtigen Lebensstandards entspricht der finanziellen Situation: Sie ist überwiegend gut. Die Befürchtung, dass in Zukunft der Lebensstandard sinken könnte, ist aber häufiger geworden: Es gab eine Zunahme von 18 (1996), auf 32 Prozent (2008) von Personen, die annehmen, dass ihr Lebensstandard in Zukunft schlechter sein wird.
3. Partnerschaft: Die Lebensformen im Alter werden bunter – und zum Teil fragiler.
Der Anteil älterer Menschen, die mit ihrem Partner bzw. ihrer Partnerin zusammenleben, ist gestiegen. Bei den 70- bis 85-jährigen Frauen sind es sogar deutlich mehr geworden: Ihr Anteil lag 1996 bei etwas über einem Drittel und ist auf knapp die Hälfte angewachsen (von 35 auf 48 Prozent).
Bei den Menschen im mittleren Erwachsenenalter ist ein gegenläufiger Trend zu beobachten: Bei den 40- bis 54-Jährigen sank der Anteil der Verheirateten von 83 auf 70 Prozent (davon lebt ein Siebtel in einer Folgeehe). Auch der Anteil der Alleinlebenden hat sich erhöht: Beispielsweise hat sich in Ostdeutschland der Anteil der 40- bis 54-jährigen Männer, die nicht in einer Paarbeziehung leben, von 1996 bis 2008 verdoppelt (von 11 auf 22 Prozent). Insbesondere Männer werden also zukünftig nicht mehr in dem hohen Maße wie bisher ihr Alter in der Lebensform des „langjährig verheirateten Ehepaars“ verbringen.
4. Generationen: Die Familien halten zusammen, aber sie wohnen nicht mehr so nah beieinander.
Die meisten 70- bis 85-Jährigen (knapp 90 Prozent) haben Kinder. Kontakt, Zusammenhalt und Unterstützung ist gut: 81 Prozent der Eltern haben mindestens wöchentlich Kontakt zu ihren erwachsenen Kindern – und die Beziehung zwischen den Generationen wird in der Regel als sehr eng eingeschätzt. In der Altersgruppe der 40- bis 65-Jährigen übernehmen 14 Prozent Verantwortung für einen hilfe- oder pflegebedürftigen Angehörigen. Pflegende Angehörigen sind zum größten Teil Voll- oder Teilzeit erwerbstätig (Vollzeit: 50 Prozent, Teilzeit: 20 Prozent).
Die Möglichkeiten für Unterstützung zwischen den Generationen wandeln sich: Seit 1996 hat sich der Anteil der Menschen in der zweiten Lebenshälfte, die im gleichen Ort wie ihre erwachsenen Kinder leben, von 55 auf 45 Prozent verringert. Dies bedeutet, dass rasche Hilfe vor Ort nicht mehr ganz so einfach ist.
Zudem wird in Zukunft die Gruppe der alten Menschen ohne Kinder zunehmen. Etwa ein Fünftel (19 Prozent) der 40- bis 54-jährigen Deutschen hat keine Kinder, von den Männern in Westdeutschland nahezu ein Viertel (24 Prozent). Da Kinder für die Unterstützung bei Hilfe- und Pflegebedarf alter Menschen wichtig sind, deuten sich hier Versorgungsprobleme in der Zukunft an.
Möglicherweise wächst in Zukunft aber die Bedeutung des sozialen Netzes jenseits und außerhalb der Familie. Hier ein Beispiel: Seit 1996 ist der Anteil der Menschen, die Freunde, Bekannte und Nachbarn als Quelle emotionaler Unterstützung angeben, von einem Viertel (26%) auf ein Drittel (32 %) angewachsen.
5. Arbeitsmarkt und Ehrenamt: Ältere Menschen spielen auf dem Arbeitsmarkt und in der Zivilgesellschaft eine immer wichtigere Rolle.
Unter den 60- bis 64-Jährigen stieg zwischen 1996 und 2008 die Erwerbsbeteiligung um zehn auf 33 Prozent. Hier ist der Arbeitsmarkt deutlich in Bewegung gekommen – und wird sich auch in Zukunft weiter verändern.
Für Menschen, die in den Ruhestand wechseln, wird ja ein erhebliches persönliches Zeitkontingent frei. Im Vergleich mit Erwerbstätigen ist der Anteil der in Ehrenamt und Bildung aktiven Menschen im Ruhestand allerdings geringer. Wir sehen aber einen Trend hin zu mehr Engagement bei den ältesten von uns Befragten. Unter den 70- bis 85-Jährigen, engagieren sich zunehmend mehr Menschen im Ehrenamt und in außerhäuslichen Bildungsaktivitäten. Seit 1996 ist der Anteil engagierter Menschen von einem Viertel (25 Prozent) auf ein Drittel (32 Prozent) gestiegen.
6. Altersbilder: Obwohl Altersdiskriminierung eine Tatsache ist, werden Altersbilder positiver.
Der Anteil der Menschen in der zweiten Lebenshälfte, die berichten, wegen ihres Alters diskriminiert zu werden, ist mit 11 Prozent erheblich. Menschen, die noch im Berufsleben stehen, berichten eher von Benachteiligungen im Beruf, die älteren eher von Benachteiligungen in der Gesundheitsversorgung. Das Risiko, eine Altersdiskriminierung zu erleben, ist bei Personen mit niedriger Bildung in den neuen Bundesländern besonders hoch.
Dennoch: Seit 1996 hat sich ein positiver Wandel der Altersbilder vollzogen. Die Vorstellungen, die wir vom Älterwerden haben, orientieren sich in stärkerem Maß am Leitbild des Alterns als „persönliche Weiterentwicklung“. Dieser Wandel fällt bei älteren Menschen stärker aus als bei den jüngeren. Die Altersbilder der verschiedenen Altersgruppen sind ähnlicher geworden.
Abschließend: Welche allgemeinen Schlüsse lassen sich aus diesen Befunden ziehen? Es gibt eine Reihe von „guten Nachrichten“: Die Gesundheit der Älteren wandelt sich zum Besseren, die materielle Situation ist in der Regel auskömmlich, die Beteiligung am Arbeitsmarkt und am Ehrenamt wächst und die Beziehungen zwischen den Familiengenerationen sind gut. Allerdings gibt es auch Hinweise für Herausforderungen: Die soziale Integration wird in Zukunft nicht mehr selbstverständlich über Familien geschehen, der subjektive Blick in die Zukunft ist nicht immer optimistisch.
Zudem unterscheiden sich die Lebenssituationen im Alter sich in vielfacher Hinsicht. Es gibt Unterschiede zwischen den jüngeren und den alten Alten, zwischen Frauen und Männern, zwischen den Regionen in Deutschland. Ein besonders wichtiger Unterschied wird durch Bildung verursacht. Dies zeigt: Das Leben im Alter wird geprägt durch das Leben und Lernen in Kindheit und Jugend. Alter und Altern sind ein Teil der gesamten Biographie – Alter und Altern gehören zum Leben.
Kontakt:
Prof. Dr. Clemens Tesch-Römer
Deutsches Zentrum für Altersfragen
Manfred-von-Richthofen-Str. 2
12101 Berlin
Tel. 030-260 740 69
Fax. 030-785 43 50
berlin-dza@dza.de
www.dza.de
Quelle: http://www.dza.de/nn_11402/SharedDocs/Publikationen/Pressetext__Befunde__Deutscher__Alterssurvey,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/Pressetext_Befunde_Deutscher_Alterssurvey.pdf, 08.09.2010
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