Bremer Heimstiftung und TZI der Universität Bremen erproben gemeinsam mit Senioren den aktiven Einsatz von Computern in der Altenhilfe
Noch ist es ungewöhnlich, doch vielleicht gehören diese Bilder schon bald zum Alltag: In der Wohnküche der Stiftungsresidenz St. Ilsabeen der Bremer Heimstiftung steht ein Laptop. Auf dem Bildschirm ist das Gesicht einer Frau zu sehen. Gegenüber hat Luise Otte, Bewohnerin des Hauses, Platz genommen. Schnell ist sie mit ihrer Betreuerin am anderen Ende der Leitung im Gespräch und plaudert angeregt. „Es ist schön, den anderen zu sehen – als säßen wir hier zusammen“, sagt Luise Otte. Einige Zimmer weiter dient der Laptop dazu, sich Fotos anzusehen. Der 102-jährige Johann Dohrmann nutzt die Technik, um in seinem virtuellen Familienalbum zu blättern. Enkel, Kinder, die Ehefrau und Familienfeiern wechseln auf dem Bildschirm einander ab. Per Knopfdruck verschwindet das eine und erscheint das andere Motiv. Ein Pflegeschüler schaut vorbei und setzt sich dazu. Man kommt miteinander ins Gespräch und tauscht lieb gewonnene Erinnerungen aus.
Pilotprojekt: Computer unterstützt Demenzkranke
Hintergrund dieser Szenen ist ein Pilotprojekt mit dem Namen IT-Assist, das die Bremer Heimstiftung jetzt gemeinsam mit dem Technologie-Zentrum Informatik und Informationstechnik (TZI) der Universität Bremen und der Rehavista GmbH in der Stiftungsresidenz St. Ilsabeen umsetzt. Erstmals werden hier gemeinsam mit Bewohnerinnen und Bewohnern für ältere und an Demenz erkrankte Menschen entwickelte Computer und Programme erprobt. Sie weisen eine vereinfachte, vergrößerte Bildschirmdarstellung mit bildhaften Symbolen auf. Ein Klick auf einen breiten, auch von zittrigen Händen zu bedienenden Button ermöglicht es den Benutzern unter anderem, Fotobücher anzuschauen, Spiele zu spielen oder ganz individuell das Gedächtnis zu trainieren. Damit aber nicht genug: Über eine installierte Kamera ist es möglich, sich via Bildtelefon mit Angehörigen weltweit auszutauschen. „Mit dem Projekt IT-Assist verfolgen wir zwei Ziele: Zum einen dem Gehirn von älteren Menschen über Computerangebote neue Aufgaben und Anregungen zu bieten, zum anderen ihre sozialen Kontakte aufrechtzuerhalten. Viele sind aufgrund körperlicher Einschränkungen nicht mehr in der Lage, die Lieben zu besuchen. Über das sogenannte Skypen bekommen sie die Möglichkeit, das Familienleben weiter zu verfolgen. Der Computer holt die Welt ‚draußen’ für sie in die Einrichtung“, erklärte Prof. Dr. Michael Lawo, Vorstand des Technologie-Zentrums Informatik und Informationstechnik (TZI) an der Universität Bremen.
Schülerstation: Alt und Jung gemeinsam am Bildschirm
Prof. Dr. Lawo hat mit seinem Institut das vorbereitet, was nun im Rahmen einer Schülerstation in einem Praxistest durchgeführt wird. Rund zwanzig Schülerinnen und Schüler aus der Schule für Altenpflege des Bildungszentrums der Bremer Heimstiftung organisieren derzeit den Alltag im Pflegebereich der Stiftungsresidenz St. Ilsabeen. Mit erfahrenem Personal im Hintergrund übernehmen sie eigenständig Aufgaben aus der Pflege, schreiben Dienstpläne und gestalten die Freizeit mit den Bewohnerinnen und Bewohnern. Dazu gehört nun auch die Auseinandersetzung mit dem Computer. Um die gemeinsame Zeit und die neuen Herausforderungen so individuell wie möglich zu gestalten, haben sich die Schülerinnen und Schüler vorab ausführlich über die von ihnen betreuten Bewohnerinnen und Bewohner informiert und mit deren Angehörigen gesprochen. So genannte „Schatzkästchen“ halten nun Wissenswertes zu Beruf, Lebenslauf, Familie, Vorlieben oder Abneigungen jedes Senioren und jeder Seniorin bereit. Mit diesen Informationen wurde das Computerprogramm auf jeden einzelnen Bewohner zugeschnitten, der signalisierte, das neue Medium ausprobieren zu wollen. Johann Dohrmann nutzt den Laptop nun fast täglich. „Ich schaue mir am liebsten die Bilder an, die ich Ewigkeiten nicht mehr gesehen habe. So groß auf dem Bildschirm entdecke ich immer wieder Neues auf ihnen, das ist schön“, so der 102-Jährige. Neben ihm sitzt die 21-jährige Pflegeschülerin Melanie Rehberg, die sich von vergangenen Zeiten erzählen lässt. „Man merkt, dass die Beschäftigung am Computer Herrn Dohrmann gut tut. Da ist plötzlich wieder Lebensfreude.“ Auch ihr 26-jähriger Mitschüler Waldemar Geng, der die Bewohnerin Gisela Gerads beim Gedächtnis- und Konzentrationstraining am Laptop anleitet und begleitet, kann von ersten Erfolgen berichten: „Sie ist schon nach einer Woche schneller und aufmerksamer geworden.“ Nicht nur das, ergänzt die Seniorin: „Einige Spiele kann ich schon allein!“ Das sei aber nicht im Sinne des Erfinders, betont die Hausleiterin der Stiftungsresidenz St. Ilsabeen, Anna Harbusch. „Der Einsatz des Computers soll keine Pflegekraft ersetzen. Im Gegenteil: Über das Medium soll es den Schwestern ermöglicht werden, leichter mit den Bewohnern ins Gespräch zu kommen und mehr über sie zu erfahren. Nur so lässt sich eine enge, vertrauensvolle Bindung aufbauen, die letztendlich auch eine gute Pflege ausmacht.“
In den nächsten Monaten wird das Projekt IT-Assist in zwei weiteren Häusern der Bremer Heimstiftung erprobt. Auf lange Sicht soll die Technik in allen ihrer 25 Einrichtungen Einzug halten. Monika Mehring, Gesundheitsexpertin bei der Bremer Heimstiftung: „Schon heute gibt es viele ältere Menschen, die den Computer für sich nutzen und es werden immer mehr werden. Den Mehrwert, den die Technik ihnen bietet, wollen wir unseren interessierten Bewohnern schon heute zur Verfügung stellen.“
Ansprechpartner:
Anna Harbusch, Bremer Heimstiftung, Rufnummer: 0421/6264110, Mail: anna.harbusch@bremer-heimstiftung.deProfessor Michael Lawo, TZI, Rufnummer: 0170/2351652; Mail: mlawo@tzi.de
Folgen Sie uns!