Gehirnjogging am Computer hält nicht, was es verspricht


 

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Die Behauptung, ältere Menschen könnten mit kommerziellen Computerspielen ihre allgemeine geistige Leistungsfähigkeit steigern und der Demenz vorbeugen, ist wissenschaftlich nicht belegt, sagen Wissenschaftler aus Berlin und Stanford. Gemeinsam mit über 70 weltweit führenden Kognitionspsychologen und Neurowissenschaftlern haben sie eine Erklärung veröffentlicht.

Spielend geistig fit. Klingt das nicht verheißungsvoll? Die Werbung lässt uns glauben, dass wir mit bestimmten „Gehirnjogging“-Computerspielen unsere geistige Leistungsfähigkeit steigern und sogar Demenzkrankheiten wie Alzheimer vorbeugen können – und all dies angeblich wissenschaftlich fundiert. Nicht selten ist in der Werbung „von Wissenschaftlern entwickelt“ zu lesen. Doch wie wirksam ist das computerbasierte Gehirnjogging wirklich?

Die bisherige Forschung belegt die Behauptungen der kommerziellen Anbieter nicht, stellen nun über 70 international anerkannte Kognitionspsychologen und Neurowissenschaftler fest. In einer gemeinsamen Erklärung machen sie darauf aufmerksam, dass die Behauptungen der Gehirnjogging-Anbieter wissenschaftlich nicht belegt sind. Ob und wie diese Spiele auf das Gehirn, die geistige Leistungsfähigkeit und die kompetente Bewältigung des Alltags wirken, sei nicht hinreichend erforscht. „Es ist üblich, dass Werbung Produktvorzüge hervorhebt. Oft jedoch hängen die Behauptungen der Spielefirmen nur scheinbar mit der zitierten Forschung zusammen“, sagt Laura Carstensen, Professorin für Psychologie an der Stanford University und Direktorin des Stanford Center on Longevity.

Die Experten, die die gemeinsame Stellungnahme auf Initiative der Stanford University und des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung unterzeichneten, sind sich einig: „Es gibt keine überzeugenden wissenschaftlichen Belege dafür, dass kommerzielle Gehirnjogging-Spiele den alterungsbedingten Abbau der geistigen Leistungsfähigkeit vermindern oder umkehren.“

Auch für Gehirnjogging-Spiele gilt: Übung macht den Meister. Wer viel spielt, steigert seine Leistungen. Die Werbung erweckt aber den Eindruck, dass die Leistungssteigerungen nicht auf die Spiele selbst begrenzt sind. Stattdessen soll einen der Lernerfolg beim Spielen generell schlauer machen, gegen geistigen Abbau schützen und die Kompetenz im Umgang mit Alltagsproblemen steigern. Für dieses Versprechen gibt derzeit es keine überzeugenden wissenschaftlichen Belege.

Allerdings warnen die Forscher auch vor Pessimismus. „Wer körperlich aktiv ist, am sozialen Leben teilnimmt und ein geistig anregendes Leben führt, hat bessere Chancen, geistig gesund zu altern“, betont Ulman Lindenberger, Direktor des Forschungsbereichs Entwicklungspsychologie am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin. Gehirn und Verhalten sind bis ins hohe Alter trainierbar. Die Suche nach wirksamen Trainingsprogrammen sei eine wichtige wissenschaftliche und gesellschaftliche Herausforderung.

Kernaussagen der Stellungnahme im Überblick:

  • Es ist nicht belegt, dass Gehirnjogging die allgemeine geistige Leistungsfähigkeit steigert.
  • Werbung für Gehirnjogging-Spiele, die behauptet, Alzheimer- oder andere Demenzformen verhindern oder heilen zu können, ist wissenschaftlich unbegründet.
  • Körperliches Training (aerobes Fitnesstraining) steigert die körperliche Gesundheit und wirkt nachweisbar positiv auf die Durchblutung des Gehirns und auf kognitive Leistungen.

Die gemeinsame Erklärung sowie eine Liste aller Unterzeichner unter:
https://www.mpib-berlin.mpg.de/de/presse/2014/10/gehirnjogging-am-computer-haelt-nicht-was-es-verspricht

Hintergrundinformationen
Die Stellungnahme basiert auf einer Initiative von Laura Carstensen, Professorin der Psychologie an der Stanford University und Direktorin des Stanford Center on Longevity, und Ulman Lindenberger, Direktor des Forschungsbereichs Entwicklungspsychologie am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin. Bereits 2009 haben Laura Carstensen und Ulman Lindenberger eine gemeinsame Stellungnahme zu diesem Thema herausgebracht, die nun weiterentwickelt und von einer großen Zahl von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unterzeichnet wurde.
Quelle: idw.de, 21.10.2014