Leibniz-Institut für Alternsforschung – Fritz-Lipmann-Institut e.V. (FLI)
Der potenziell lebensverlängernde Effekt von Diäten ist in aller Munde. Forscher vom Leibniz-Institut für Alternsforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in Jena zeigen nun, dass eine Diät den Erhalt der Funktion körpereigener Stammzellen in Mäusen zwar verbessert, jedoch auf Kosten der körpereigenen Immunabwehr, die dabei stark geschwächt wird. Das könnte den lebensverlängernden Effekt der Diät wieder aufheben. Die Ergebnisse erscheinen am 14. März im Journal of Experimental Medicine.
Erst vor wenigen Jahren schürte die Erkenntnis, dass eine kalorienreduzierte Ernährung beim Fadenwurm (C. elegans), der Fruchtfliege (D. melongaster) und der Ratte die natürliche Lebensspanne um bis zur Hälfte verlängern kann, die Hoffnung, dass ein langes, gesundes Leben in greifbare Nähe rückt. Doch bereits die Übertragung der Ergebnisse auf langlebige Primaten brachte Ernüchterung; der lebensverlängernde Effekt zeigte sich hier nicht so eindeutig. Nun weisen Forscher um Karl Lenhard Rudolph, Wissenschaftlicher Direktor am Leibniz-Institut für Alternsforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in Jena, darauf hin, dass Kalorienreduktion sogar gravierende Nebeneffekte mit sich bringt. Auf Diät gesetzte Mäuse zeigten in Futterexperimenten zwar eine verlangsamte Alterung der Stammzellen – allerdings nur unter optimalen Laborbedingungen. Denn gleichzeitig wurde das Immunsystem der Mäuse stark geschwächt – außerhalb von Laboren ein eher lebensverkürzender Effekt. Die Ergebnisse der Studie erscheinen nun im Journal of Experimental Medicine.
Kalorienreduktion lässt Blutstammzellen langsamer altern
Im Fokus der Studie standen die Auswirkungen einer diätischen Ernährung auf Blutstammzellen, sogenannte hämatopoetische Stammzellen (HSZ), die bspw. für die Bildung von roten Blutkörperchen oder Lymphozyten (Abwehrzellen) zuständig sind. Wie andere adulte Stammzellen verlieren auch HSZ bei jeder Zellteilung einen Teil ihrer Funktionalität – sie altern. Deshalb befinden sie sich die meiste Zeit in einem Ruhestadium, der sogenannten Quieszenz, und werden nur aktiv, wenn massive Zellneubildungsprozesse nötig sind. Die Jenaer Forscher untersuchten für ihre Studie Mäuse, die über einen unterschiedlich langen Zeitraum 30% weniger Nahrung erhielten. Als ein zentrales Ergebnis zeigte sich, dass unabhängig von der Dauer der Diät die HSZ länger in der Quieszenz verharrten – selbst, wenn Stresssimulation eigentlich Zellteilungsprozesse hätte auslösen müssen. Die HSZs alterten während der Kalorienreduktion praktisch nicht und zeigten nach einem Jahr der Diät eine deutlich verbesserte Funktion im Hinblick auf die Neubildung von Blutzellen.
Kalorienreduktion führt zu einer Verschlechterung des Immunsystems
Bei den untersuchten Mäusen zeigte sich jedoch auch ein negativer Effekt der kalorienreduzierten Diät: Ihr Immunsystem wurde deutlich schwächer. Wenngleich die Gesamtzahl von Blutzellen sich bei den Diät-Mäusen nicht veränderte, war die Bildung von Lymphozyten – die für die körpereigene Abwehr benötigt werden – um bis zu 75% vermindert. Dieses Nachlassen in der Immunzellproduktion ging mit einer erhöhten Anfälligkeit der Tiere für bakterielle Infektionen einher.
Eine Verlangsamung des Alterns im Labor: Nicht unbedingt auf den Menschen übertragbar
„Die Studie liefert einen experimentellen Beweis, dass längerfristige Kalorienreduktion zur Verlangsamung des Alterns zwar positive Effekte auf die Stammzellfunktion, aber auch negative auf die Immunabwehr hat. Die positiven Effekte der Kalorienrestriktion auf das Altern können wahrscheinlich nicht einfach auf den Menschen übertragen werden“, fasst Rudolph zusammen. Denn selbst wenn es unter sterilen Laborbedingungen im Wirbeltier gelingt, durch eine Kalorienreduktion das Altern einzelner Zellen oder Gewebe deutlich zu verlangsamen, kann ein negativer Effekt auf Immunfunktionen im wirklichen Leben fatale Folgen haben. Für eine Nutzbarmachung von Kalorienrestriktion oder medikamentösen Mimetika zur Verbesserung der Gesundheit im Alter müsste insbesondere der Einfluss solcher Interventionen auf das Risiko, lebensbedrohliche Infektionen zu entwickeln, noch näher untersucht werden. „Bei einer Sepsis beispielsweise haben Patienten mit einer stärkeren Physis tatsächlich höhere Überlebenschancen als sehr schlanke“, pflichtet auch Prof. Dr. Michael Bauer, Leiter des Zentrums für Sepsis am Universitätsklinikum Jena (UKJ), bei.
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