Sport im Alter kann geistige Fitness stimulieren, Wirkung lässt jedoch mit dem Alter nach


 

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Hirnforscher untersuchten ältere Erwachsene beim Laufbandtraining

Sport im Alter kann die Hirndurchblutung und bestimmte Gedächtnisleistungen verbessern. Das haben Magdeburger Neurowissenschaftler in einer Studie mit Frauen und Männern im Alter zwischen 60 und 77 Jahren herausgefunden. Dabei zeigte sich ein Trend: Bei jüngeren Probanden hatte regelmäßiges Laufbandtraining die Tendenz, die Hirndurchblutung und das visuelle Gedächtnis zu verbessern. Indessen konnten Versuchsteilnehmer, die älter waren als 70 Jahre, von den Laufübungen nicht profitieren. Die Studie belegt somit auch, dass der Alterungsprozess die Wirkung des Trainings zu begrenzen scheint. Forscher des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE), der Universität Magdeburg und des Leibniz-Instituts für Neurobiologie Magdeburg präsentieren diese Ergebnisse in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Molecular Psychiatry“. An den Untersuchungen waren zudem Wissenschaftler des Karolinska Instituts in Stockholm sowie des Berliner Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung beteiligt.

Quelle: DZNE

Quelle: DZNE

Die 40 Probanden waren ihrem Alter entsprechend gesundheitlich unauffällig, zu Beginn der Studie sportlich untrainiert und wurden in zwei Gruppen aufgeteilt: Etwa die Hälfte der Versuchsteilnehmer trainierte für drei Monate regelmäßig auf dem Laufband. Die übrigen Testpersonen absolvierten nur Übungen zur Dehnung und Entspannung der Muskulatur. Bei sieben von neun Mitgliedern der Laufgruppe, die nicht älter waren als 70 Jahre, steigerte das Training nicht nur die körperliche Fitness, es hatte auch die Tendenz, die Durchblutung des Hippocampus zu verbessern – ein für das Gedächtnis wichtiges Hirnareal. Zugleich verbesserte sich das visuelle Erinnerungsvermögen der Versuchsteilnehmer: Bei Studienabschluss fiel es ihnen leichter, sich abstrakte Abbildungen einzuprägen als zu Beginn des Trainingsprogramms. Bei älteren Läufern und den Mitgliedern der Kontrollgruppe blieben diese Effekte weitgehend aus.

Bestandteil der Studie waren umfangreiche Tests der körperlichen Verfassung und des Erinnerungsvermögens. Außerdem wurden die Probanden mit Hilfe der Magnetresonanz-Tomographie (MRT) untersucht. Dieses Verfahren ermöglicht detaillierte Einblicke ins Innere des Gehirns.

Mit Bewegung gegen Demenz

Gemäß dem Motto „Wer rastet, der rostet“ gilt Sport als förderlich für die Gesundheit: Die Auswirkungen auf den Körper sind umfangreich erforscht, weniger jedoch die Effekte auf die geistige Fitness. Eine Steigerung der Hirndurchblutung durch körperliches Training war bislang nur bei jüngeren Personen empirisch nachgewiesen worden. Die neue Studie belegt, dass sich das alternde Gehirn diese Anpassungsfähigkeit bewahren kann, wenngleich sie mit zunehmendem Alter nachzulassen scheint. Außerdem deuten die Ergebnisse daraufhin, dass Veränderungen des Erinnerungsvermögens, die durch körperliches Training hervorgerufen werden, eng mit Änderungen der Hirndurchblutung zusammenhängen.

„Letztlich geht es uns darum, Maßnahmen zu entwickeln, die einer Demenzerkrankung wie Alzheimer gezielt entgegenwirken. Deshalb möchten wir verstehen, was körperliches Training im Gehirn bewirkt und welche neurobiologischen Mechanismen dabei in Gang gesetzt werden. Erst dann lassen sich Therapien entwickeln, die wirklich wirksam sind“, erläutert Professor Emrah Düzel, Standortsprecher des DZNE in Magdeburg und Direktor des Instituts für Kognitive Neurologie und Demenzforschung der Universität Magdeburg, die Hintergründe der Studie.

Ziel: neue Hirnzellen

Absicht der Forscher ist, dass im Gehirn neue Nervenzellen heranwachsen. Auf diese Weise wollen sie dem für Demenzerkrankungen typischen Absterben von Hirnzellen entgegenwirken. „Das menschliche Gehirn ist wandelbar und entwickelt sich ein Leben lang. Selbst im Gehirn eines Erwachsenen können sich neue Nervenzellen bilden“, so Düzel. „Diese Fähigkeit zur sogenannten Neurogenese möchten wir stimulieren. Noch wissen wir allerdings nicht, ob unsere Trainingsmethode die Neubildung von Nervenzellen fördert. Jedoch wissen wir aus der Grundlagenforschung, dass die Neubildung von Nervenzellen oft mit einer Verbesserung der Hirndurchblutung einhergeht.“

Veränderungen im Hippocampus

In der Tat zeigte sich, dass durch die Übungseinheiten auf dem Laufband bei jüngeren Studienteilnehmern mehr Blut in den Hippocampus gelangte. „Das verbessert die Versorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen und hat möglicherweise noch andere positive Effekte auf den Stoffwechsel des Gehirns“, sagt der Neurowissenschaftler. „Wir sehen allerdings, dass die Wirkung des Trainings mit dem Alter nachlässt. Mit über 70 ist sie geringer als mit Anfang 60. Ein wichtiges Ziel unserer Forschung wird es nun sein, die Ursachen hierfür zu verstehen und zu beheben.“

„Dass sich mit der Hirndurchblutung das visuelle Gedächtnis verbesserte, ist ein ermutigendes Ergebnis“, so Düzel weiter. „Eine effektive Therapie würde sich jedoch auch auf weitere Hirnfunktionen auswirken. Bei unserer Studie war die Wirkung auf das visuelle Kurzzeitgedächtnis beschränkt.“
Kombitraining von Körper und Geist

In Magdeburg finden deshalb noch andere Versuchsreihen statt, in denen sich Testpersonen auf eine Schnitzeljagd der besonderen Art begeben: Innerhalb einer computergenerierten Landschaft, die auf einer großen Leinwand erscheint, müssen die Probanden versteckte Objekte wiederfinden. Ihre Bewegungen in der virtuellen Welt steuern sie mit Hilfe eines Laufbands. „Diese komplexe Situation beansprucht Motorik und Orientierungssinn“, erläutert Düzel. „Neben den Muskeln ist also auch der Kopf gefordert.“

Langfristig wollen die Wissenschaftler auch Menschen im Frühstadium einer Alzheimer-Erkrankung in ihr Studienprogramm aufnehmen. „Wir suchen nach Möglichkeiten, um den Krankheitsverlauf zu verzögern oder gar aufzuhalten. Und wir erforschen auch Möglichkeiten der Prävention“, betont Düzel. „Die Verbindung von körperlicher Aktivität mit geistigem Training hat möglicherweise breite Wirkung. Ein solches Kombinationstraining könnte vielleicht ein therapeutischer Ansatz werden. Das muss sich aber noch zeigen. Unser aktuellen Ergebnisse deuten jedenfalls daraufhin, dass wir möglicherweise Pharmaka einsetzen müssen, um das körperliche Training effektiver zu machen.“

Originalveröffentlichung
Vascular hippocampal plasticity after aerobic exercise in older adults
Anne Maass, Sandra Düzel, Monique Goerke, Andreas Becke, Uwe Sobieray, Katja Neumann, Martin Lövden, Ulman Lindenberger, Lars Bäckman, Rüdiger Braun-Dullaeus, Dörte Ahrens, Hans-Jochen Heinze, Notger G. Müller, Emrah Düzel.
Molecular Psychiatry, 2014, doi:10.1038/mp.2014.114

Kontakt
Dr. Marcus Neitzert
DZNE, Wissenschaftsredakteur
+49 (0) 228 / 43302-271
marcus.neitzert(at)dzne.de

Quelle: http://www.dzne.de/ueber-uns/presse/meldungen/2014/pressemitteilung-nr-13.html, 14.10.2014